Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik
Presseerklärung (2)
Aufgrund der
Kürzungspolitik des Berliner Senates sollten Caritas und Diakonie nach
dem Vorbild der „Babyklappen" in Berlin „Obdachlosenklappen"
einrichten. Mitarbeiter von Sozialämtern und der Wohnungslosenhilfe
könnten somit staatliche Institutionen zwingen, die Hilfebedürftigen
in Obhut zu nehmen.
Die
Hauptstadt ist pleite. Zu spüren bekommt dies vor allem der
Sozialbereich. Insbesondere die Wohnungslosenhilfe. Mit dem
Kälteeinbruch stehen Hilfesuchende immer häufiger vor verschlossenen
Türen. Denn durch die zusätzlichen Mittelkürzungen des Berliner
Senates in den Bezirken sind immer mehr Einrichtungen gezwungen, ihre
Pforten zu schließen. Allein in den vergangenen Monaten mussten
aufgrund der mangelnden Finanzierung zwei Tageseinrichtungen und eine
Notübernachtung ihren Betrieb einstellen. Die Tageseinrichtungen
Meteorstraße vom Internationalen Bund (IB) und das Kontaktcafé der
Stadtmission in Weißensee sowie eine Notübernachtung mussten ihre
Arbeit beenden. Akut bedroht sind darüber hinaus die Tagesstätte in
der Neuköllner Schillerpromenade und das Café „Unter Druck" in
Mitte. Sollten die Schließungen erfolgen, wäre die Zahl der
Wohnungslosentagestätten dadurch in nur einem Jahr von zwölf auf sechs
halbiert. Gleichzeitig können zahlreiche Notübernachtungen,
Nachtcafés und Tageseinrichtungen ihr Angebot lediglich durch
reduzierte Öffnungszeiten aufrechterhalten.
Durch die drastischen
Kürzungen herrschen auch nach den Worten der sozialpolitischen
Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Elfi Jantzen,
in der Kältehilfe inzwischen „konfuse Verhältnisse mit fatalen
Folgen für obdachlose Menschen." Zwar räumt Sozialsenatorin Heidi
Knake-Werner (PDS) ein, „dass die finanzielle Situation der Bezirke
äußerst prekär ist". Die bündnisgrüne Politikerin weist die
Vorwürfe zurück. „Die Verantwortung für die Angebote liegt bei den
Bezirken", heißt es in einer parlamentarischen Anfrage. Damit
wälzt Knake-Werner das Problem – wie ihre Vorgängerin – auf die
Bezirke ab und lässt eine zentrale Forderung fallen, die ihre Partei
über Jahre an die Großen Koalition gestellt hatte: die
Wohnungslosenhilfe als zentrale Aufgabe in die Hände der
Landesverwaltung zurückzuführen.
Angesichts des
Wintereinbruchs fordert die Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik die
Freien Träger der Wohnungslosenhilfe auf, um der Unterversorgung zu
begegnen, sollten Caritas und Diakonie, die an vier Standorten in Berlin
bereits „Babyklappen" betreiben, an den Berliner Krankenhäusern
„Obdachlosenklappen" einrichten. „Nach dem Vorbild der so
genannten Babyklappen, in denen Mütter ihre Neugeborenen anonym ablegen
können, wären staatliche Institutionen dann gezwungen, die Betroffenen
in Obhut zu nehmen", so die Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik.
Denn selbst in den Spitzenzeiten stehen im Rahmen der Kältehilfe
lediglich rund 380 Notschlafstellen zur Verfügung. Dem gegenüber leben
nach offiziellen Angaben in Berlin zwischen 2.000 und 4.000 Menschen
dauerhaft auf der Straße.
Christian Linde
für die Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik
20. Dezember 2002
Anleitung für
Obdachlosenklappen?
– Die Obdachlosenklappe
ist ein Ort, an dem Finder den Betroffenen in Obhut geben können
– Die Abgabe des
Obdachlosen findet ohne Zeugen und ohne Strafe statt.
– Der Finder öffnet die
Obdachlosenklappe und legt den Obdachlosen in ein Wärmebett, ohne dass
dieser Vorgang beobachtet werden kann. Nach wenigen Minuten wird
automatisch ein Signal auf der Obdachlosenstation ausgelöst. So kann
der Obdachlose unverzüglich von Ärzten und Krankenschwestern betreut
werden
– Wenn der Finder es
möchte, kann er persönliche Dinge, wie einen Zettel mit dem Namen und
dem Geburtstag des Obdachlosen mit in die Vorrichtung legen
– Hat der Finder die
Klappe erst einmal geschlossen, kann er diese nicht wieder öffnen. Mit
der Abgabe ist der Obdachlose für den Finder aber nicht verloren. Er
kann ihn innerhalb von acht Wochen zurückholen, ohne dass er dafür
bestraft werden kann. Dabei wird ihm geholfen, einen neuen Weg für sich
und den Obdachlosen finden
– Die Obdachlosenklappen
sind das ganze Jahr über Tag und Nacht geöffnet
Was passiert mit dem
Obdachlosen in der „Obdachlosenklappe"?
Die Obdachlosenklappen in Berlin sind Einrichtungen der beteiligten
Krankenhäuser, der Caritas und der Diakonie. Die Träger haben es sich
zur Aufgabe gemacht, Obdachlose vor dem Tod durch Aussetzung zu retten.
Finder, die ihren Obdachlosen nicht behalten wollen oder können, haben
so die Möglichkeit, ihren Obdachlosen in sichere Obhut zu geben.
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