Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik
Presseerklärung (1)
Obdachlose sind immer wieder Ziel von
Gewaltübergriffen. Regelmäßig berichten Obdachlose gegenüber
MitarbeiterInnen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe von „alltäglicher"
Gewalt. Anpöbelungen, Vertreibungen und körperliche Übergriffe sind
an der Tagesordnung. Zunehmend gehören auch Obdachlose deutscher und
nicht-deutscher Herkunft zu den Opfern verstärkt von
rechtsextremistisch motivierter Gewalt. In den zurückliegenden Jahren
endeten diese Gewaltübergriffe immer häufiger mit Todesfolge. Allein
von 2000 bis 2001 wurden fünf Obdachlose getötet. Am 10. April
verurteilte das Potsdamer Landgericht fünf Männer wegen Mordes an dem
Obdachlosen Dieter Manzke im vergangenen Sommer im brandenburgischen
Dahlewitz zu hohen Haftstrafen. Aktuell ermittelt die Potsdamer
Staatsanwaltschaft seit Karfreitag 2002 erneut wegen Mordes an einen
Obdachlosen.
Aufgrund dieser Entwicklungen fordert die Arbeitsgruppe
Wohnungslosenpolitik die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Berlin
deshalb auf, „Gesicht zu zeigen," und sich an der „Aktion
Noteingang" zu beteiligen. Die „Aktion Noteingang gegen
Ausländerfeindlichkeit und Rassismus" hat sich zur Aufgabe
gestellt, Opfern von Gewalt Schutz vor ihren Verfolgern in ihren
Einrichtungen zu bieten. Obwohl bereits vor über einem Jahr ins Leben
gerufen, haben sich bisher lediglich vier Einrichtungen aus dem
Obdachlosenbereich an der Initiative beteiligt. Nach Angaben der
Senatsverwaltung für Soziales leben in Berlin 2.000 bis 4.000 Menschen
„dauerhaft auf der Straße".
Wer regelmäßig gegenüber Institutionen und politisch
Verantwortlichen die mangelnden Hilfeangebote insbesondere in der kalten
Jahreszeit beklagt, sollte selbst das ihm Mögliche tun, um den
Schutzlosesten einen Zufluchtsort vor drohender Gewaltanwendung zu
bieten. Wer kein Obdach hat, braucht einen Noteingang. Ein Anschluss an
die „Aktion Noteingang" wäre darüber hinaus ein Schritt aus dem
„positiven Abseits" in das sich die Wohnungslosenhilfe nicht
zuletzt selbst häufig katapultiert. Wer zur Akzeptanz von obdachlosen
Menschen in der Gesellschaft beitragen will, muss die Kooperation mit
der „Mitte der Gesellschaft" suchen. Die Unterstützung der „Aktion
Noteingang" wäre, wenn in erster Linie auch nur als symbolischer
Akt, ein Schritt in diese Richtung. Die Arbeitsgruppe
Wohnungslosenpolitik appelliert an die großen Träger der
Wohnungslosenhilfe Caritas und Diakonie, nach dem Vorbild ihres
Engagements in der Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn AG um den
Erhalt der Bahnhofsmissionen ihre Beratungs- und
Unterbringungseinrichtungen innerhalb der Wohnungslosenhilfe zentral an
der „Aktion Noteingang" zu beteiligen. Gleichzeitig kritisiert
die Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik die Berliner Verkehrsunternehmen.
Während die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und S-Bahn GmbH ihre
Vertreibungspolitik gegenüber obdachlosen Menschen unvermindert
fortsetzen, schmücken sich deren Führungsetagen in
öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen mit der Teilnahme ihrer
Unternehmen an der „Aktion Noteingang".
Christian Linde
für die Arbeitsgruppe Wohnungslosenpolitik
Berlin, 11.4.2002